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Auch ein wahrer Dicki darf mal verreisen, und dann reist er natürlich mit der Bahn, nicht zuletzt weil damit zahlreiche Erinnerungen bis zurück in die frühe Kindheit verbunden sind. Von einer Reise zurück im Bremer Hauptbahnhof zeigten meine Eltern: "Da ist eine elektrische Lokomotive." Vielleicht hätten sie es mir ein wenig besser erklären sollen, jedenfalls sah ich in der angegebenen Richtung nichts dergleichen - oder habe die E-Lok einfach nicht erkannt.

Was damals Ereignis war, ist heute technisch längst Geschichte; nichts ist es mehr mit den altvertrauten Geräuschen: dem Rattern der Schienen, dem Klappern der Fenster und erst recht nicht mit dem Schnaufen der Dampfloks. Stattdessen dieses ekelhafte Fiepen bei jedem Öffnen und Schließen der Türen und, je nach Fahrtempo, durchdringendes Dröhnen oder Singsang in Obertonreihen. Und Lautsprecherdurchsagen.

Unser Zug hielt vor Osnabrück auf freier Strecke an. Knacken. "Meine Damen und Herren, der Zug hat auf freier Strecke angehalten." Knacken. Ende der Durchsage. Und sofort höhnische Kommentare der Fahrgäste Bahnkunden. Eine Zeitlang erwog ich, mich zu beschweren, weil man uns die englische Version dieser wichtigen Information vorenthalten hat. Bald kam ich aber zur Vernunft, denn in Anbetracht der üblicherweise eigenwilligen Prononcierung des Englischen in deutschen Zügen sollte man diese Unterlassung als Serviceleistung betrachten.

Gestern gab es in einem nahegelegenen Park ein Freiluft- und Freier-Eintritt-Konzert, und ich ging mit zwei Bekannten hin. Die trafen dort Freunde, und so standen wir zu fünft herum, während drei Kinder spielend zwischen uns hindurchwuselten, mal diesen, mal jenen Erwachsenen zupfend. Worum es bei dem Spiel ging, habe ich nicht herausbekommen, aber es hatte viel mit Bewegung und Gejohle zu tun. Meine Wahrnehmung hatte sich mit Wichtigerem zu befassen.

Denn die mir als Ariane vorgestellte Frau hatte eine interessante Nase in einem guten Gesicht und - last not least - einen dunklen Flaum auf der Oberlippe, worauf ich immer noch mit weichen Knieen reagiere. Es gab Gelegenheiten uns gegenseitig unseren Witz vorzuführen, und wir nutzten sie. Währenddessen spielte die Bluesrockband ihre letzte Zugabe und die Funkjazzer als Höhepunkt des Abends begannen mit dem Stimmen ihrer Instrumente und dem Testen der Mikrophone, was sich über eine halbe Stunde hinzog. Schon bald begann mich das eigene Gegifte über dies Getue zu langweilen, und als meine Bekannten und Arianes Freund sich zur Würstchenbude begaben, die Kinder im Schlepptau, mußte ich schnell ein Thema finden, um nicht in unbedachte Liebeserklärungen auszubrechen.

"Wirst du auch überwacht?" fragte ich (junge Männer, aufgepaßt: das ist eine gänzlich unverfängliche Anmache, also merken das). "Du meinst, von der Enn Ess Ey? Ich nehme es mal an. Aber wieso 'auch' - weißt du was Genaues? Steht unter deinen E-Mails 'diese Mail wurde mit der Antivirensoftware Prism geprüft und ist als virenfrei klassifiziert'?" - "Ich meinte eher, daß wir - also wir alle (kokettes Lächeln) - uns bald nicht mehr trauen werden, offen miteinander zu fli äh zu sprechen." - Sie blickte mich amüsiert an. "Wir könnten Dosentelefone benutzen." - "Das werden wir - also wir alle (ich sah ihr in die Augen) - ohnehin bald tun. Und Lie äh kleine Nachrichten auf Esspapier schreiben."

Mit ernster Miene fuhr ich fort: "Ein früherer Kollege sagte mehrfach, Skype sei vom Mossad entwickelt worden. Das muß nicht stimmen, aber weil digitale Technik das Datensammeln erleichtert und die 'social networks' nur zu diesem Zweck entwickelt worden sind, können wir davon ausgehen, daß die Geheimdienste höflich, aber sehr bestimmt auf das Einrichten von Türchen oder gar Kabäuschen zur exklusiven Nutzung gedrungen haben werden." - Ariane blieb gerade noch Zeit zur Antwort, bevor die drei Wurstesser zurückkamen: "Wenn du mir einen Stapel Esspapier schenkst, bekommst du von mir ein Dosentelefon." Da ihr Blick völliges Einverständnis signalisierte, hätten meine Knie beinahe wirklich nachgegeben.

Aber da sie 'in festen Händen' ist und wir uns voraussichtlich nie wieder begegnen werden, müssen die Versprechungen dieses Gesprächs unerfüllt bleiben. Eines Gesprächs, dessen Code keine wie auch immer programmierte Maschine jemals wird entschlüsseln können. Allenfalls kann man uns in eine der Karteien für Terrorismusverdächtige einspeisen, sollten wir abgehört worden sein. Aber da dürfte inzwischen die Hälfte der Menschheit drinstehen.

bzw. "Schwere Colts in zarten Händen", wie es die deutsche Version will. Wir sind uns einig, daß Musicals Scheiße sind, aber wir wissen auch, daß ein guter Schauspieler einen mittelmäßigen, sogar einen mäßigen Film sehenswert machen kann. Calamity Jane ist ein schönes Beispiel dafür.

Doris Day ist der Star (bevor sie ein großer Star wurde), und als pistolenschwingender, prahlender Wildfang in Männerkleidung macht sie die erste halbe Stunde zu einem Vergnügen. Die Story ist in Ungefähr "Was ihr wollt" im Wilden Westen. Wie hat man sich das vorzustellen? In etwa so:

Der Saloonbesitzer von Deadwood, Dakota, kündigt eine Miss Frances Frye an, die sich als Mister Francis Frye entpuppt. Der Versuch, ihn als Frau auftreten zu lassen, mißlingt entlang der gängigen Klischees. Bevor es zu Ausschreitungen des Publikums kommt, gibt Calamity Jane (also Doris Day) ihr Wort, daß bereits eine berühmte Schauspielerin zugesagt habe, im Saloon in Deadwood aufzutreten, und der Besitzer dadurch alle Enttäuschten zufriedenstellen werde. Die einzige Schauspielerin, von der Jane weiß, ist die vergötterte Poseurin für Zigarettenpackungssammelbildchen, die zur Zeit in Chicago, Illinois, gastiert. Jane reist hin und bringt - keine Komödie ohne Verwechslung - die Garderobiere der Berühmtheit, die von Auftritten träumt, mit sich zurück nach Deadwood. Wild Bill Hickok, langjähriger Freund Calamitys, und ein fescher Leutnant, Traummann Janes, verlieben sich auf den ersten Blick in den vermeintlichen Star.

Ich persönlich mag es sehr, wenn sich eine wirkliche Dame zu Vulgaritäten ermannen kann, aber hier erleben wir, wie eine rauhe, vermeintlich vulgäre Frau, sich zur Dame wandelt. Nun, wenn es denn schon sein muß, dann bitte mit Doris Day, die im Verlauf dieses Films alle Register ihrer Stimme zieht. Aber außer der Freundschaft der beiden Frauen passiert eigentlich nichts Bewegendes mehr. Jane kriegt Bill, die Ex-Garderobiere den Leutnant, das alles geschieht unter Absonderung diverser Lieder: eben ein Scheiß-Musical - wenn da nicht Doris Day wäre. Klingt das wie eine Liebeserklärung? Hoffentlich, denn es soll eine sein. Großer Kit Großes Kino.

Jawohl, John Wayne. Fangen wir mal bei seiner Figur an: der hatte in keinem Film passende Kleidung an, sah immer aus wie so ein Klob, von Johnny Ringo (Stagecoach) über John T. Chance (Rio Bravo) und Sean JawieheißtdereigentlichmitNachnamen (Hatari!) bis Rooster Cogburn (Rooster Cogburn oder so). Völlig iben und verbumfeit. Umgekrempelte Hosenbeine, Hosenträger, Halstücher wie Galgenstricke, unförmige Jacken, doppelt geknöpfte Hemden, und alles in absolut verbotenen Farben.

Dann hat er sich immer in den Vertrag reinschreiben lassen, daß er erstens der Gute ist, auch und gerade dann, wenn er eher zweifelhaft war, daß er zweitens immer das attraktivste Mädchen erobert (Ausnahme Katherine Hepburn im beginnenden Greisenalter, aber da stand er selbst auch schon mit einem Bein unter der Erde). Und zwar sind ihm die Frauen verfallen und mußten ihn erobern. Damit hatten sie alle Hände voll zu tun, denn er wollte gar nichts von ihnen wissen: aus Angst! Drittens mußte er wenigstens den entscheidenden, am besten aber jeden Gunfight gewinnen. Hat seine Kanone irgendwie in die Gegend gehalten, Bumm, wieder ein Bösewicht tot. Beim Film regelt man das durch den Schnitt.

Das geht so. Erste Einstellung: Bösewicht fuchtelt mit Gewehr oder Pistole. Gegenschuß: John Wayne kneift die Augen zusammen, bleibt ansonsten cool. Dritte Einstellung: Bösewicht krümmt den Finger am Abzug. Gegenschuß: John Wayne springt in Deckung oder schießt sofort. Fünfte Einstellung: Bösewicht wird getroffen, meistens tödlich.

Die Frauengeschichten sind auch ne Schau, so ne richtige Vaddi-Schau. Brummbär John Wayne, verliebt bis in die Haarspitzen, gibt keinerlei Gefühl zu erkennen. Das macht die Teile wild, jetzt müssen sie ihn unbedingt haben und kehren das unterste zu oberst, um ihn für sich einzunehmen. Und wenn er sie dann kirre gemacht hat, gibts vielleicht nen hübsch anzusehenden Filmkuß, aber noch immer kein als von Herzen kommend erkennbares Gefühl, ganz wie im richtigen Leben.

John Wayne, der manch plakativen Spaß erduldet hat, z.B. eine Schüssel voll Ziegenmilch über den Kopf (Hatari!), ohne zu murren, hat nie als Schauspieler geglänzt. Aber er war ne Type. Und eine wandelnde Komödie, wenn man den passenden Sinn für Humor hat. Und den muß man haben, sonst rennt man schreiend aus dem Kino. Aus dem ganz großen Kino, wie gesagt werden muß.

Dieser Film ist zwar von 1949 und mit seiner Nachkriegsatmosphäre im alliiert sektorierten (West-, und dort Süd-)Deutschland (später auch Bremerhaven) eine olle Kamelle, aber mittlerweile wieder hochaktuell: wer sehen will, wie Cary Grant nach allen Regeln der US-Armee und des US-Kongresses durch-gegen-dert wird, darf den Streifen nicht verpassen.

Cary Grant soll zum "OICAMG Abteilung AC" und klappert die Türen eines Flurs ab, die jeweilige Aufschrift - z.B. "SOSDPPDD" oder "WAIRCO" - interpretierend. Auch bei "LADIES" versucht er sein Glück: für "Labour Administration Department Inter..." reicht es noch, dann kommt eine Frau heraus, die ihm den richtigen Weg weist.

Damit kommen wir zur Sache. Nach dem Motto "was sich liebt, das neckt sich" können sich Capitan Henri Rochard (Cary Grant) und Lieutenant Catherine Gates (Ann Sheridan) nicht ausstehen, werden aber auf einen gemeinsamen Dienstauftrag hinausgesandt. Um die Irrungen und Wirrungen in Kürze zu veranschaulichen, sei nur erwähnt, daß Grant rekordverdächtig oft Trottel genannt wird und er bei der Aufzählung zukünftiger Gewaltanwendungen nur die sensibleren Körperteile Sheridans ausläßt, also Achselhöhlen und so weiter.

Aber wir kennen das aus der Chemie: entgegengesetzte Ladungen ziehen sich an. Wobei es hier Geschlechteropposition bzw. "boy meets girl" statt Chemie heißen muß (Goethe nannte diesen Vorgang elegant, aber naiv "Wahlverwandtschaften", es bleibt in Wahrheit keine Wahl - Liebe ist von Natur aus undemokratisch und deshalb überhaupt nicht mit einer modernen, pluralistischen Gesellschaft vereinbar). Nach den genreüblichen Mißverständnissen funkt es zwischen den Beiden und es wird geheiratet, streng nach Vorschrift und Glauben. Das bedeutet erstens eine zivilrechtliche Eheschließung, zweitens eine Trauung durch den US-Militärkaplan, und drittens eine kirchliche Heirat vor einem französischen Geistlichen. Dann endlich: die Hochzeitsnacht.

Doch bevor die richtig losgeht, bekommt Lieutenant Gates den Marschbefehl nach Heidelberg, um via Frankfurt und Bremerhaven in die (nach USA verlegte) Dienststelle zurückzukehren. Wie kann sie ihren frischangetrauten Mann mitnehmen? Die Bestimmungen sind gegen ihn, weder Einreise noch Besuchervisum sind möglich. Der Ausweg ist ein Passus in den Vorschriften. Dort ist nämlich von "Gatten" die Rede, also ohne ausdrückliche Nennung des Geschlechts. Gemäß Dienstvorschrift ist Grant nunmehr eine männliche Kriegsbraut, der aufgrund Verordnung 2-7-1-A des Kongresses seinen "Mann" in die USA begleiten darf.

Mag dies auch Irrsinn sein, so ist es doch Gesetz, dem sich alle Behörden und Dienststellen zu fügen Willens sind. Dumm nur, daß Grant unter den vielen Kriegsbräuten das einzige männliche Exemplar ist. Und die Schlafprobleme - auf einem Stuhl, in einer Badewanne - gehen jetzt erst richtig los. Das Bremerhavener Hotel, in dem die Kriegsbräute untergebracht sind, darf Grant nicht aufnehmen, weil er keine Frau ist, das Hotel für Militärangehörige nicht, weil er nicht dem US-Militär angehört und so weiter und so fort, bis die Nacht um ist. Und an Bord kommt er nur durch eine grobe Maskerade: in die Uniform eines weiblichen Kameraden seiner Frau gesteckt und mit einer aus Roßhaar improvisierten Perücke versehen, gelingt es, die letzte Sperre zu überwinden. Und endlich, endlich, die Hochzeitsnacht - aber da ist der Film schon in New York angekommen und es heißt "The End".

Was lernen wir daraus? Gendern mag gut gemeint sein, funktioniert aber nur, wenn man die Wirklichkeit auf den Kopf stellt. Willkommen in der Gegenwart.

 

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