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Morgens zur Arbeitslosenberatung, eine Stunde warten, aber dann ging es schnell, nicht zuletzt weil ich auf alle Abschweifungen und Kommentare zur Zeit verzichtete (und wie gern hätte ich mir Luft gemacht!), da im Warteraum noch mehr Arbeitslose ihrer Beratung harrten, auf eine Hilfestellung hofften.

Am Nachmittag dann zur Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (BAgage BAgIS), auch dort eine Stunde warten, und wiederum ging es dann schnell, und zwar so (zum Ende des Gesprächs):

- Wie weise ich denn nun mein Bemühen um eine billigere Wohnung nach?
- Bringen Sie Bescheinigungen von den Wohnungsbaugesellschaften, daß die nichts im Angebot haben, und von privat ...
- Heißt 'privat', daß ich jeden Samstag herumtelefonieren und durch die Gegend sausen muß?
- Sammeln Sie vier Wochen lang die Samstagsausgabe der Zeitung, arbeiten Sie die Anzeigen durch, legen Sie uns die Exemplare vor, und wenn nichts dabei ist ...
- Und wenn da nun eine 16-Quadratmeter-Butze angeboten wird, die zufällig 264 Euro kostet? (ich erkläre ihm schnell, daß ich schließlich auch Möbel und dergleichen habe)
- (mein Gegenüber verzog unwillig den Mund) Ja, das könnte natürlich sein, da weiß ich jetzt aber auch nicht. (Abwimmelnd) Dazu kann Ihnen dann der Herr B. mehr sagen. (Herr B. hatte - leichtsinnigerweise - das Schreiben an mich unterzeichnet, war aber nicht im Hause.)

Am Schluß kam noch - eine Pointe? Ich hätte mich auf Schriftverkehr beschränken können, regele solche Angelegenheiten aber lieber mit persönlicher Anwesenheit, damit (in diesem Fall) die BAgIS-Leute sehen: das sind Menschen, und ich ihnen schildern kann, was sie uns da eigentlich antun, damit ihnen das Verdrängen nicht ganz so leicht fällt.

Ich bedankte mich jedenfalls höflich bei meinem Gegenüber, und gab ihm zum Abschied die Hand - und spürte im selben Moment, als er sie ergriff, wie er zurückzuckte. Dürfen die Leutchen dort ihren Kunden etwa nicht die Hand geben? Es wird mir in Zukunft ein kleines Vergnügen sein, diese Schranke zu mißachten. Denn auch solche kleinen Gesten fördern das Bewußtsein, es mit Menschen zu tun zu haben.

Schön finde ich selbstverständlich, daß mein Gegenüber sich ein gutes Gewissen verschafft, indem er mir rät: bringen Sie den Nachweis [der Bemühung um eine entsprechende Wohnung], dann sind Sie davon. Und schwupp! hat er die lästige Verantwortung vom Hals und kann weiter mitlaufen, guten Gewissens, da er ja mit diesen Regelungen auch nicht einverstanden ist, aber ihm sind nun einmal die Hände gebunden ...

Zweimal hörte ich heute in Pausendiskussionen von Mitschülern: "besser nicht darüber nachdenken". Über die gegenwärtigen Zustände nämlich, woher sie kommen, und wohin sie führen. Die Einen laufen mit, die Anderen davon. So mag auch die Stimmungslage zu Beginn des dritten Reichs gewesen sein.
Dr.No meinte am 8. Jun, 23:28:
Ja, was den letzten Satz betrifft. Gestern befand ich mich in einer gänzlich anderen Situation, in der ich leider den gleichen Gedanken wie Sie hatte und feststellte, daß ich vermutlich konkret kein Widerstandskämpfer wäre, mich eher innerlich angewidert von allem abwenden würde. 
Dicki antwortete am 9. Jun, 20:25:
Wie soll man denn als Einzelner Widerstandskämpfer sein? Wäre ich ebenfalls nicht. Aber den Mund auftun und seine Meinung sagen, das muß man schon. - Ich glaube, daß die große Vereinzelung in unserer Gesellschaft auch kaum wirksamen Widerstand zulassen wird. Die Gegenseite wendet ihrerseits fleißig das alte "teile und herrsche" an. 
 

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