Nach einer Reihe von Kurzgeschichten für Krimi-Magazine veröffentlichte Dashiell Hammett 1929 seinen ersten Roman "Rote Ernte". Sein "Detektiv bei Continentals" (Titel einer Sammlung seiner Kurzgeschichten) räumt hier fast im Alleingang eine Gangsterbande aus der Stadt Peaceville, meist Pissville genannt. Intrigen, Schießereien, Tote, Morde - die Action ist spektakulär. Der Erzählstil ist lapidar, ironisch; die Menschen sind aus Fleisch und Blut und reden Umgangssprache; die Verbrecher sind keine Ungeheuer, sondern schlicht Menschen, die das Gesetz brechen. Der Roman ist amüsant und unterhaltsam, aber nicht umwerfend.
Ein Jahr später wird "Der Malteser Falke" veröffentlicht. Hammett, der auch zuvor stets aus seiner langjährigen Erfahrung als Pinkerton-Detektiv geschöpft hatte, versuchte sich hier an der Studie einer Frau ohne Moral, und weil er ein guter Beobachter war, ist dieser Versuch gelungen.
Frau ohne Moral: sofort denkt man an die männertypische Angst, von einer Frau betrogen zu werden. Von einer Frau, die versichert, ihn zu lieben, aber aus seiner Sicht das Versprechen nicht einlöst; die stattdessen den Mann zugunsten eines anderen Mannes verrät. Deutlicher werde ich nicht sagen, welche Frau im Leben eines Mannes diese Angst hervorgerufen hat. Hammett scheint genau diese Angst zu thematisieren - aber er geht weit darüber hinaus.
Sam Spade (in John Hustons Verfilmung von Humphrey Bogart gespielt) wird für eine Beschattung engagiert, die dann sein Partner Miles Archer übernimmt, der offenbar auf ein Abenteuer mit der Klientin hofft. Spades Partner wird erschossen aufgefunden, Spade gerät erstens selbst in Verdacht und zweitens immer tiefer in die Jagd nach dem ominösen Falken. Er versucht der Klientin, einer Brigid O'Shaughnessy, zu helfen, obwohl sie ihm mit einem Haufen falscher Geschichten kommt und er sie nicht dazu bringen kann, ihm die Wahrheit anzuvertrauen. Er vertraut ihrer Angst und seinem Spürsinn, nicht ihren Worten. Nach vielen Intrigen zwischen und etlichen Auseinandersetzungen mit Brigid, ihren Mitganoven und einem Revolvermann hält er schließlich alle Trümpfe in der Hand und offenbart sich der Polizei. Und er entlarvt Brigid als Mörderin seines Partners.
"Du hast mich eine Lügnerin genannt", sagte sie. "Jetzt lügst du. Du lügst, wenn du sagst, daß du, trotz allem, was ich getan habe, im tiefsten Herzen nicht weißt, daß ich dich liebe."
Spade machte unvermittelt eine kurze Verbeugung. Das Weiße in seinen Augen rötete sich, sonst aber änderte sich nichts in seinem schweißnassen, gelblichen, starr lächelnden Gesicht. "Vielleicht liebe ich dich", sagte er. "Na und? Dir sollte ich trauen? Dir, die diesen hübschen, kleinen Trick für - für meinen Vorgänger Thursby ausgeheckt hat? Dir, die Miles umgelegt hat, eine Mann, der dir nichts getan hatte, kaltblütig, wie wenn man eine Fliege totschlägt, nur um damit Thursby vielleicht loszuwerden? Dir, die Gutman, Cairo, Thursby hinters Licht geführt hat - eins, zwei, drei? Dir, die du auch nicht eine halbe Stunde lang, seit ich dich kenne, mit offenen Karten mit mir gespielt hast? Dir sollte ich trauen? Nein, nein, mein Liebling! Das täte ich nicht, auch wenn ich's könnte! Warum sollte ich auch?"
Spades Augen waren jetzt blutunterlaufen, und sein lange festgefrorenes Lächeln hatte sich in eine fürchterliche Grimasse verwandelt. (...) Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die Hand zitterte und zuckte. "Mir ist's egal wer wen liebt. Ich werde nicht den Dummen für dich spielen. Ich werde nicht in Thursbys und wer weiß wessen Fußstapfen treten. Du hast Miles umgebracht, und dafür mußt du jetzt bezahlen. (...)"
Sie legte eine Hand auf seine Hand auf ihrer Schulter. "Dann hilf mir nicht", flüsterte sie, "aber tu mir nicht weh. Laß mich jetz gehen."
"Nein", sagte er. "Ich bin verloren, wenn ich dich nicht der Polizei übergeben kann, sobald sie kommt. Das ist noch das einzige, was mich davor bewahrt, mit den anderen unterzugehen."
"Das willst du nicht für mich tun?"
"Ich will nicht den Dummen für dich spielen."
"Bitte, sag das nicht." (...)
(...) "Hör zu!" Er packte sie bei den Schultern, drückte sie zurück und beugte sich über sie. "Wenn dir das alles nichts sagt, vergiß es, und wir wollen's so ausdrücken: ich werde es nicht tun, weil alles in mir mich drängt, zu sagen, der Teufel soll die Folgen holen, tu's! - Und weil - der Teufel soll dich holen - du damit bei mir gerechnet hast, genau wie du bei den anderen damit gerechnet hast." (...)
(...) Sie hob ihr Gesicht dem seinen entgegen. Ihr Mund war leicht geöffnet, die Lippen ein wenig vorgeschoben. Sie flüsterte: "Wenn du mich liebtest, brauchtest du nichts weiter auf der Gegenseite."
Spade biß die Zähne zusammen und sagte: "Ich will nicht den Dummen für dich spielen."
Sie geht aufs Ganze, und er ist drauf und dran, ihrer Umarmung zu erliegen. Er hält sie im Arm, als die Polizei klingelt. Spade ist klug genug, um sie zu durchschauen, aber schwach genug, um dennoch auf sie hereinzufallen - beinahe.
Eine Bemerkung zum Schluß: Der Beweis für die Existenz des Malteser Falken, angeblich eine juwelenbesetzte goldene Statuette, ist von so vielen 'vielleichts' und 'vermutlichs' geprägt, daß sich der Gedanke an die Gralsgeschichte in Umberto Ecos "Das Foucaultsche Pendel" mächtig aufdrängt. Eco muß zumindest dieser Teil von Hammetts Roman sehr gefallen haben.
Ein Jahr später wird "Der Malteser Falke" veröffentlicht. Hammett, der auch zuvor stets aus seiner langjährigen Erfahrung als Pinkerton-Detektiv geschöpft hatte, versuchte sich hier an der Studie einer Frau ohne Moral, und weil er ein guter Beobachter war, ist dieser Versuch gelungen.
Frau ohne Moral: sofort denkt man an die männertypische Angst, von einer Frau betrogen zu werden. Von einer Frau, die versichert, ihn zu lieben, aber aus seiner Sicht das Versprechen nicht einlöst; die stattdessen den Mann zugunsten eines anderen Mannes verrät. Deutlicher werde ich nicht sagen, welche Frau im Leben eines Mannes diese Angst hervorgerufen hat. Hammett scheint genau diese Angst zu thematisieren - aber er geht weit darüber hinaus.
Sam Spade (in John Hustons Verfilmung von Humphrey Bogart gespielt) wird für eine Beschattung engagiert, die dann sein Partner Miles Archer übernimmt, der offenbar auf ein Abenteuer mit der Klientin hofft. Spades Partner wird erschossen aufgefunden, Spade gerät erstens selbst in Verdacht und zweitens immer tiefer in die Jagd nach dem ominösen Falken. Er versucht der Klientin, einer Brigid O'Shaughnessy, zu helfen, obwohl sie ihm mit einem Haufen falscher Geschichten kommt und er sie nicht dazu bringen kann, ihm die Wahrheit anzuvertrauen. Er vertraut ihrer Angst und seinem Spürsinn, nicht ihren Worten. Nach vielen Intrigen zwischen und etlichen Auseinandersetzungen mit Brigid, ihren Mitganoven und einem Revolvermann hält er schließlich alle Trümpfe in der Hand und offenbart sich der Polizei. Und er entlarvt Brigid als Mörderin seines Partners.
"Du hast mich eine Lügnerin genannt", sagte sie. "Jetzt lügst du. Du lügst, wenn du sagst, daß du, trotz allem, was ich getan habe, im tiefsten Herzen nicht weißt, daß ich dich liebe."
Spade machte unvermittelt eine kurze Verbeugung. Das Weiße in seinen Augen rötete sich, sonst aber änderte sich nichts in seinem schweißnassen, gelblichen, starr lächelnden Gesicht. "Vielleicht liebe ich dich", sagte er. "Na und? Dir sollte ich trauen? Dir, die diesen hübschen, kleinen Trick für - für meinen Vorgänger Thursby ausgeheckt hat? Dir, die Miles umgelegt hat, eine Mann, der dir nichts getan hatte, kaltblütig, wie wenn man eine Fliege totschlägt, nur um damit Thursby vielleicht loszuwerden? Dir, die Gutman, Cairo, Thursby hinters Licht geführt hat - eins, zwei, drei? Dir, die du auch nicht eine halbe Stunde lang, seit ich dich kenne, mit offenen Karten mit mir gespielt hast? Dir sollte ich trauen? Nein, nein, mein Liebling! Das täte ich nicht, auch wenn ich's könnte! Warum sollte ich auch?"
Spades Augen waren jetzt blutunterlaufen, und sein lange festgefrorenes Lächeln hatte sich in eine fürchterliche Grimasse verwandelt. (...) Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die Hand zitterte und zuckte. "Mir ist's egal wer wen liebt. Ich werde nicht den Dummen für dich spielen. Ich werde nicht in Thursbys und wer weiß wessen Fußstapfen treten. Du hast Miles umgebracht, und dafür mußt du jetzt bezahlen. (...)"
Sie legte eine Hand auf seine Hand auf ihrer Schulter. "Dann hilf mir nicht", flüsterte sie, "aber tu mir nicht weh. Laß mich jetz gehen."
"Nein", sagte er. "Ich bin verloren, wenn ich dich nicht der Polizei übergeben kann, sobald sie kommt. Das ist noch das einzige, was mich davor bewahrt, mit den anderen unterzugehen."
"Das willst du nicht für mich tun?"
"Ich will nicht den Dummen für dich spielen."
"Bitte, sag das nicht." (...)
(...) "Hör zu!" Er packte sie bei den Schultern, drückte sie zurück und beugte sich über sie. "Wenn dir das alles nichts sagt, vergiß es, und wir wollen's so ausdrücken: ich werde es nicht tun, weil alles in mir mich drängt, zu sagen, der Teufel soll die Folgen holen, tu's! - Und weil - der Teufel soll dich holen - du damit bei mir gerechnet hast, genau wie du bei den anderen damit gerechnet hast." (...)
(...) Sie hob ihr Gesicht dem seinen entgegen. Ihr Mund war leicht geöffnet, die Lippen ein wenig vorgeschoben. Sie flüsterte: "Wenn du mich liebtest, brauchtest du nichts weiter auf der Gegenseite."
Spade biß die Zähne zusammen und sagte: "Ich will nicht den Dummen für dich spielen."
Sie geht aufs Ganze, und er ist drauf und dran, ihrer Umarmung zu erliegen. Er hält sie im Arm, als die Polizei klingelt. Spade ist klug genug, um sie zu durchschauen, aber schwach genug, um dennoch auf sie hereinzufallen - beinahe.
Eine Bemerkung zum Schluß: Der Beweis für die Existenz des Malteser Falken, angeblich eine juwelenbesetzte goldene Statuette, ist von so vielen 'vielleichts' und 'vermutlichs' geprägt, daß sich der Gedanke an die Gralsgeschichte in Umberto Ecos "Das Foucaultsche Pendel" mächtig aufdrängt. Eco muß zumindest dieser Teil von Hammetts Roman sehr gefallen haben.
Dicki - am Di, 03. August 2004, 23:28 - Rubrik: Musik und so weiter
semmel meinte am 4. Aug, 19:34:
dashiell hammett: das große umlegen. ganz große klasse.
Dicki antwortete am 4. Aug, 21:00:
Ja, im Gegensatz zu Raymond Chandler haben schon seine Kurzgeschichten Klasse. Ich les mich gerade durch sein Gesamtwerk (Diogenes Taschenbuchausgabe) und fühle zumindest gut unterhalten. Werde vielleicht noch mehr über seine Bücher schreiben. "Rote Ernte" ist bestimmt auch was für dich, semmel, das hat noch die Atmosphäre und den Stil von "Das große Umlegen".