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Daß jemand, der zugleich ein ebenso guter Glaser wie Feinmechaniker sein kann, wohl ein Ausnahmetalent sein müsse, wird jedem einleuchten. Erlernen läßt sich vieles, aber nur das Talent kann es zur Meisterschaft bringen. Gern will ich zustimmen, daß die meisten Menschen irgendein Talent haben, sei es ein großes oder kleines, doch wie selten ist eine umfassende Begabung. Auch in der Kunst lassen sich viele Techniken durch Übung erwerben, doch kann nur die Begabung zur Meisterschaft ausgebildet werden. Und wieviele Menschen haben eine künstlerische Begabung, die über Singen, das Spielen eines Instruments, Verseschmieden, Zeichnen und einfache Grafik sowie schauspielerisches Talent hinausgeht?

Die Linke verharrt aber in Ansichten, wie sie Franz Mehring 1910 in Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters formulierte: "Allein, nichts ist törichter als die Einbildung, daß, wenn die herrschenden Klassen fallen, auch die Kunst fallen wird. Sie wird dann freilich fallen, aber nicht als Kunst, sondern als Vorrecht; sie wird eine verkrüppelte Hülle abwerfen, um erst zu werden, was sie ihrem Wesen nach sein soll: ein ursprüngliches Vermögen der Menschheit." Sicher wird das Vorrecht der - nun gut - herrschenden Klassen auf Kunst fallen und Begabte aus allen Schichten werden ihr Talent entfalten können (eine am Ideal und nicht an der Ideologie orientierte Kulturpolitik vorausgesetzt, siehe sozialistischer Realismus, au wei au wei), aber Kunst bleibt immer das Vorrecht der zur Kunst Berufenen; wer Kunst nur will, wird allenfalls Technik können. Es ist nun einmal nicht jeder Mensch ein Künstler, ebensowenig wie Glaser oder Feinmechaniker.

Bezeichnenderweise läßt sich Mehring nur über die deutschen Schriftsteller aus (die er an ihrem Beitrag zum Klassenkampf mißt und nicht an ihrer künstlerischen Leistung) und weiß über Komponisten gar nichts zu sagen. Wie nun, war Bach ein Revolutionär; oder Beethoven; oder Mozart? Die populäre Musik (beginnend bei Blues und Jazz) hat allen Schichten den Zugang zur Kunst ermöglicht (und einige Künstler aus unterschiedlichsten Schichten hervorgebracht), das Zeitalter des Narzißmus aber bringt Superstars en masse hervor, deren künstlerischer Wert gegen Null tendiert. Da bin ich ganz herrschende Klasse und sage: Kunst ist nicht Klassenkampf, sondern steht über allem Tagesgeschehen, auch wenn es dieses aufgreift. Und ich bin noch mehr herrschende Klasse indem ich sage, daß der Pöbel nach Berühmtheit streben mag, der Künstler aber (unabhängig von seiner Herkunft) nach Vollkommenheit: ob ihn die Klassen verstehen oder nicht.
 

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