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Als der "Büro- und Gewerbepark" auf einem am Stadtrand gelegenen Grüngebiet gebaut werden sollte, das gern von Radfahrern und Spaziergängern zur Erholung aufgesucht wurde, gab es natürlich Proteste aus der Bevölkerung, die selbstverständlich mit der Begründung abgebügelt wurden, daß erstens ein erheblicher Bedarf an neuer Gewerbefläche bestehe und zweitens die wirtschaftliche Notlage der Gemeinde diesen Schritt (nämlich den Bau) zwingend notwendig mache. Also wurde - finanziert aus zukünftig einzunehmenden Steuergeldern - gerodet, planiert, asphaltiert und betoniert, und schon bald war ein schmucker Park zur Firmenansiedlung entstanden.

Am Stadtrand, wie gesagt, und damit auch ein gutes Stück von einer Haltestelle der nächsten Linie des ÖPNV entfernt. Man schuf Abhilfe und richtete ein Sammeltaxi als "Linie 39" ein, das Fahrgäste von der Haltestelle zum "Büro- und Gewerbepark" (und umgekehrt) bringen sollte, wofür der bereits gelöste Fahrschein Gültigkeit besitzen würde. Die Differenz zwischen Fahrschein und Kosten der Taxifahrt wollte die Gemeinde dem Taxi-Unternehmen erstatten. Nach einem Jahr wurde Bilanz gezogen. In den ersten 6 Monaten fuhr das Taxi täglich neun Mal, in den zweiten 6 Monaten nur noch auf Abruf, was auf zwei Fuhren täglich hinauslief, den tatsächlichen Bedarf.

Das Finanzressort beschwerte sich: bei einer Auslastung von 6 Prozent in den vergangenen drei Monaten (130 Fahrten mit insgesamt 131 Fahrgästen; weshalb das 6 Prozent sind, mag der Statistiker wissen) sei es doch wohl billiger, dem einzigen Fahrgast, der überhaupt die Linie täglich nutze, ein Auto zu schenken. Kurz: die Linie müsse eingestellt werden.

Das konnte die Wirtschaftsförderung nicht auf sich sitzen lassen: zwar entspreche es den Tatsachen, daß mehrere hundert Euro für das Angebot der Linie zubezahlt werden müßten, doch sei die "Standortzufriedenheit" der Unternehmen merklich verbessert worden und stelle das Vorhandensein der Linie eine große Hilfe bei der Anwerbung neuer Mitarbeiter dar. Allerdings, so räumte man ein, habe sich die Linie nicht so entwickelt wie erwartet.

Als jemand auf die Idee kam, sich einmal im "Büro- und Gewerbepark" umzusehen, fand er ein einzelnes, einstöckiges Gebäude von geringer Grundfläche vor, eigentlich eher ein Kiosk denn ein Haus. Als er klingelte, öffnete der Firmeninhaber selbst. Im Gespräch stellte sich heraus, daß dessen Unternehmen noch in der Gründungsphase steckte und keinerlei Mitarbeiter beschäftigte. Ob er der Benutzer des Sammeltaxis sei? Ganz recht, er sei der Stammkunde und fahre täglich mit der Linie 39 ins Büro und zurück. Allerdings überlege er, seine Firma zu sich nach Hause zu verlegen, da die Mietkosten doch erheblich seien und er sich außerdem - so ganz ohne Nachbarn - ein wenig einsam fühle.

130 Fahrten, 131 Fahrgäste: wer mag der vereinzelte, der 131. Passagier gewesen sein? War es etwa die seit September als vermißt gemeldete Ehefrau des Unternehmers? Und ist es wirklich nur ein Zufall, daß der 1. Staatsrat in der Wirtschaftsförderung denselben Nachnamen trägt wie der Unternehmer? Ist das Unternehmen in der Gründungsphase vielleicht jene Firma, die ein gebührenpflichtige Internetportal für Swinger-Clubs betreibt und ist der Chef des Finanzressorts tatsächlich Mitglied in jenem Swinger-Club, der wegen mangelnder Kopulationsbereitschaft vom Portal ausgeschlossen wurde? Ist der Taxi-Unternehmer identisch mit jenem Individuum, daß vor einiger Zeit wegen versuchter Beamtenbestechung zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden war? Fragen wir lieber nicht weiter, es könnte noch viel schlimmer kommen. Immerhin habe ich bis jetzt internationale Großkonzerne wie die Drogenmafia ausgespart.

Was an dieser Geschichte Wahrheit, was Phantasie ist, mag ein jeder für sich überlegen. Erschreckend ist, daß dies alles Wirklichkeit sein könnte.
semmel meinte am 19. Nov, 08:04:
Hehe. 'Standortzufriedenheit' ist ein sehr schönes Wort. Das gefällt mir sehr gut. Ich nehm deine Geschichte für bare Münze. Dazu habe ich schon zuviel kommunalen Schabernack erlebt, als hierin Fiktion zu sehen. 
Dicki antwortete am 19. Nov, 20:11:
Huhu semmel! Noch hat die Geschichte nicht die von mir geschilderte Tiefe erreicht, aber wer weiß, Ähnliches kann noch kommen, und dein Verdacht ist unbedingt angebracht. 'Standortzufriedenheit' ist leider nicht von mir, sondern bereits original Behördensprech. Die vielbeschworene 'Innovation' beschränkt sich bedauerlicherweise auf Verschlechterung unserer Lebensumstände und Vermehrung des Eigennutzes sowie der verbalen Beschönigung dieser Veränderungen. 
 

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