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Dunkel erinnere ich mich, mal eine aus der Weimarer Zeit stammende Folge von Zeichnungen zum Thema: "Wie werde ich reich" gesehen zu haben, die damals vermutlich in der Arbeiter Illustrierte Zeitung abgedruckt war, Soweit ich mich entsinne, waren es zwölf Bildchen, mit Untertiteln wie "als Bankier", "als Grundbesitzer" oder "als Fabrikant". Das letzte Bild zeigte einen Arbeiter: "Durch Arbeit? Nie."

Aber wozu reich sein? Zum Leben muß es genügen, und wenn es zu einem angenehmen Leben reicht, umso besser. In welchem Maße aber inzwischen Arbeiten und Geldverdienen zwei Paar Schuhe sind, habe ich heute an wieder erfahren.

Beispiel 1: Eine Vertretung für eine Sekretärin, die in Mutterschaftsurlaub geht, wird gesucht. Festanstellung, aber befristet. Acht Bewerberinnen werden ausgewählt. Der Chef fragt jene Frau, von der ich die Geschichte habe, ob sie Arbeitslosengeld beziehe und bei Einstellung Anspruch auf Fördergelder habe (die nicht an die Frau, sondern an die einstellende Firma gezahlt werden, um es ganz deutlich zu sagen). Sie bejaht, denn ihr ist es egal, wer im Einzelnen ihr Gehalt bezahlt. Dann wolle er sich bei der Arbeitsagentur nach Details erkundigen.

Als er sie einige Zeit später anruft, bietet er ihr ein zwölfwöchiges Praktikum an; sie beziehe weiterhin Arbeitslosengeld, die Firma komme für die Fahrtkosten auf. Sie fragt sofort, wie er sich das vorstelle, ob er meine, sie würde für nichts arbeiten, und was sie denn für eine Perspektive habe in puncto Festanstellung. Über eine weitere Anstellung habe er noch nicht nachgedacht. Im Übrigen wisse sie ja, wie das sei, sie könne zu der Arbeit gezwungen werden (womit er auf den gefürchteten Fall "Verweigerung der Arbeitsaufnahme" mit nachfolgender Sperrfrist anspielt). Daß sie sich aus eigenem Antrieb bewarb und nicht vom Arbeitsamt - jaja, Arbeitsagentur - geschickt wurde, hat er dabei vergessen.

Sie vermutet, daß er allen Bewerberinnen ein Praktikum angeboten hat. Ob es überhaupt um eine Vertretung wegen Mutterschaftsurlaub geht oder ob das nur eine vorgeschobene Geschichte ist? Sie hält alles für möglich. Und erzählt von einer Freundin.

Beispiel 2: Die Freundin, ebenfalls arbeitslos, bekommt bei einer anderen Firma einen Vertrag mit 3000 Euro brutto Monatsgehalt. Natürlich unterschreibt sie. Bevor das Arbeitsverhältnis beginnt, meldet sich der Chef, der Vertrag wäre beim Arbeitsamt nicht abgesegnet worden (wieder irgendetwas mit Fördergeldern), er könne ihr nur eine neuen Vertrag mit 1400 Euro brutto anbieten. Da auch diese Bezahlung in ihrer Situation noch eine Verbesserung ist, akzeptiert sie und unterschreibt. Den ursprünglichen Vertrag habe er vernichtet, sagt ihr Gegenüber.

Nach dem ersten Monat bekommt sie eine Abschlagszahlung von 700 Euro, keine Abrechnung, kein nichts, kein gar nichts. Sie läßt sich sofort krankschreiben und setzt sich mit - jaja! - der Arbeitsagentur in Verbindung. Dort liegt der erste Vertrag vor - mit dem Gehalt von 3000 Euro - und man will sie beglückwünschen, daß sie es so gut getrroffen hat. Sie erzählt, wie es wirklich verhält. Nun wird die Angelegenheit untersucht, gegen die Firma wird geklagt, vielleicht erfolgt eine Schließung. Der Herr war vielleicht eine Spur zu dreist. Aber ihm wird nichts passieren. Gründet er eben eine neue Firma, na und?!

Es ist bezeichnend für den Zustand der Bundesrepublik Deutschland, daß die Raffgierigen sich zu offener Kriminalität ermutigt fühlen. Wenn sie einen Tick cleverer und einen Augenblick geduldiger sind, werden sie erleben, daß solche Machenschaften legalisiert werden. Bei dem, was heute alles schon erlaubt ist, kann das kein großer Schritt mehr sein. Es nützt uns also gar nichts, Arbeit zu fordern; Geld und Arbeit muß die Parole lauten.
pathologe meinte am 16. Mär, 13:40:
Dies sind die ersten Schritte zur Wiedereinführung der Sklaverei, begründet und genährt durch die "Geiz ist geil"-Kampagnen. Leider.

Aber ich kann persönlich gegensteuern nach dem Motto:
"You get what you pay for!"

Und ich hoffe, es werden noch sehr viele mitmachen! 
Dicki antwortete am 16. Mär, 13:57:
Mitmachen - gerne. Aber erst mal Stelle, Arbeit oder Job haben. Vorher muß ich ja noch geprofiled werden von meinem Fallmanager. Das stelle ich mir als Vorstufe zur "hochnothpeinlichen Befragung" vor. - Trotzdem haben wir es gut: es ist ne freundliche Diktatur, ohne dieses martialische Führergetue, in unserer Bundesrepöblik. 
 

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