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Reisen und Lesen gehören für mich zusammen, und Mußestunden für die mitgenommene Lektüre finden sich immer. Goethe hat sich verdrückt, na und?! Nach der ersten Verblüffung und ein paar Unternehmungen in der Stadt habe ich in meine kleine Reisebibliothek gelangt und mir "Tante Julia und der Kunstschreiber" von Mario Vargas Llosa vorgenommen, das ich schon längst mal wieder gelesen haben wollte. Sonst bevorzuge ich unterwegs mir unbekannte Bücher, aber: kein Geld für Reisen heißt eben auch: kaum Geld für neue Bücher.

Der Kontrast ist erstmal ein bißchen verwirrend. Eben noch in Italien, befinde ich mich plötzlich im Peru Mitte der Fünfziger. Der Ich-Erzähler war damals 18 Jahre jung, arbeitete bei einem kleinen Rundfunksender, lernte seine geschiedene Tante Julia kennen und erlebte die Katastrophe um den neuen Star unter den Verfassern von Hörspielserien mit. Der Jüngling wird von der Verwandtschaft als Intellektueller bezeichnet (weil eine Zeitung mal eine Kurzgeschichte von ihm brachte), er recherchiert und spricht die Nachrichten zusammen mit einem Freund (sie schreiben Zeitungsmeldungen um und nehmen die Nachrichten vorher auf, so daß sie viel freie Zeit haben), zwischen der Tante und ihm ist sofort eine Spannung spürbar, und die Hörspiele, bisher von einem großen Sender nach Manuskriptgewicht teuer eingekauft - jawohl, nach Gewicht -, sollen ab sofort von einem geradezu genialen Verfasser geschrieben werden.

Ein kleines, unscheinbares Wesen, etwas zwischen einem kleinen Mann und einem Zwerg, mit einer gewaltigen Nase und außerordentlich lebhaften Augen, in denen etwas Exzessives funkelte. Es trug einen schwarzen, sehr abgenutzten Anzug, sein Hemd und seine Schleife hatten Flecken, doch in der Art , wie es seine Kleidung trug, lag etwas Sauberes, Ordentliches, etwas Strenges, wie bei diesen Herren auf den alten Fotografien, die in ihren steifen Überröcken und zu engen Zylindern gefangen zu sein scheinen. Der Mann konnte dreißig Jahre alt sein, aber auch fünfzig; sein schwarzes Haar reichte ihm bis auf die Schultern und glänzte ölig. Seine Haltung, seine Bewegungen, sein Gesichtsausdruck wirkten wie eine Verhöhnung alles Spontanen und Natürlichen und erinnerten an eine Gliederpuppe, an eine Marionette.

Im zweiten Kapitel steckt man unversehens in einer der neuen Serien. Ob sich allmählich Geschichte und Hörspiel vermischen und beeinflussen werden? Im Groben und Ganzen weiß ich noch, wie alles kommen wird, aber auf die einzelnen Entwicklungen bin ich doch sehr gespannt, da mag Herr Goethe ruhig noch ein wenig fortbleiben. - Oh, es klopft an der Tür. "Avanti!"
 

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