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Vor ein paar Tagen wurde mir erst bewußt, daß ich das einzige Kind unter meinen Spielkameraden war, das täglich gelesen hat. Unter meinen Mitschülern sogar. Von der Grundschule in die Mittelstufe. Stimmte das wirklich? Doch. Doch. Eigentlich unglaublich. Aber auch wieder verständlich, denn ich war fast 14, als wir unseren ersten Fernseher anschafften. Der absobierte enorm viel Zeit, aber ich las immer noch wie bescheuert (und tobte draußen herum und hatte dreimal in der Woche Schwimmtraining und Montags Violinenunterricht und hörte Radio und spielte immer noch mit meinen Matchbox-Autos).

Zuallererst wurde mir vorgelesen (und vorgesungen, ist aber ne andere Geschichte): Petzi, Pelle und Pingo, Büchlein aus der Pixie-Reihe, biblische Geschichte. Entdeckte ich in einer Zeitschrift eine Bildgeschichte, lief ich zu meiner Mutter, damit sie mir die Worte vorlas. Mit der Zeit wurde ich kritisch und störte mich an falschen Betonungen und Ähnlichem. Es war mir eine Glückseligkeit, als ich endlich selbst lesen konnte - vor Tut - Da fährt ein Auto - Tut Tut. Meine Mutter wird sehr erleichtert gewesen sein.

Die Pixie-Bücher kannte ich Wort für Wort und soll sie Nachbarskindern auf der Straße 'vorgelesen' haben. "Da konntest du noch gar nicht lesen. Du wußtest es auswendig", erzählte meine Mutter oft, ganz stolze Mutter. Aber als ich dann lesen konnte -

Alles. Absolut alles. Vom Comic über Kinderbücher, Zeitungen, Illustrierte, Bildbände über Kunst, Verpackungsaufdrucke, Werbeplakate bis hin zu Jean-Paul Sartres Der Funke Leben mit 10 (oder doch eher mit 12?). "Das ist noch nichts für dich", sagte meine Mutter und stellte das Taschenbuch zurück ins Regal. Ich ließ es geschehen, vielleicht weil mir die ersten Seiten tatsächlich noch nichts gesagt hatten (also doch eher 10). Mein Vater las übrigens auch gern, wenn auch nicht häufig. Mit Büchern von Carlo Manzoni ("Der Finger im Revolverlauf") konnte ich ihm zum Geburtstag eine Freude machen.

Ich verschlang die Bücher meiner Schwester ("Der Trotzkopf", "Kleiner Foxel Burre Bums"), meines Bruders ("Die Schatzinsel" ungekürzt, "Lederstrumpf" und "Moby Dick" als Jugendbuchausgabe, oh ihr Arschgeigen) und meiner Spielkameraden ("Fünf Freunde und ...", "Pippi Langstrumpf"); lieh ständig neues Lesefutter aus der Schulbibliothek, las wieder und wieder meine eigenen Bücher: "Der kleine dicke Ritter", "Der Löwe ist los", "Gut gebrüllt, Löwe", "Löwe gut, alles gut", "Mein Urgroßvater und ich", "Mein Urgroßvater, die Helden und ich".

Das geschriebene Wort - so ahnte ich wohl - beschreibt nicht nur die Welt, es interpretiert sie und eröffnet - mir damals am wichtigsten - neue Welten. Dafür taugten auch Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, dafür taugte sogar Perry Rhodan. Nur fort, fort aus der Enge des Alltags, nur immer fort. Meine Spielkameraden hatten Fernsehen, mehr Spielzeug, mehr Comics, auch Hörspielplatten (genau, vom Europa-Label) - und weniger Bücher. Mehr Ablenkung, weniger Erleben. Behaupte ich jedenfalls.

Natürlich, ich hab auch Comics gelesen wie nichts gutes. Felix, Fix und Foxi, Micky Maus und was es alles gab. Die besten, freundlichsten, aufregendsten Geschichten waren die von Franquin: Spirou. Doch was für eine Entdeckung, als ich mit 18 Little Nemo las und mit 25 verstand. Das soll mir einen eigenen Beitrag wert sein.
 

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