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Musik und so weiter

Heute wollte ich ein bißchen Geld von meinem inzwischen anständigem Gehalt unters Volk - nee, falsch, unter die Wirtschaft - bringen und begab mich in eine Buchhandlung. Dort entdeckte ich einen Fotoband über The Who, dessen Bildmaterial zur Hälfte aus den 60er Jahren rührt, was mich natürlich besonders interessiert. Das Blättern im Buch und Mustern der Fotografien weckte aber kein tieferes Gefühl in mir außer dem Wunsch, irgendwann einmal ein mit Sorgfalt, Liebe und Kenntnis gemachtes Buch über die wichtigsten Jahre dieser Band, nämlich 1965 bis 1967, zu entdecken. Mit "Tommy" von 1968 ergaben sich The Who dem Zeitgeist, der forderte, daß alles Populäre als vermeintlich Vulgäres Kunst werde, alle Kunst als vermeintlich unpopulär hingegen vulgär.

Zurück zur Gegenwart: Der Bildband erschien mir als ein Stück Heldenverehrung und ungeeignet, mir Zeit und Menschen näher zu bringen; weshalb also 40 Euro dafür ausgeben? Mit welcher Liebe, mit welchem Respekt sind hingegen zwei Filmbücher ausgestattet(in den letzten Tagen wieder mit großem Interesse gelesen), die ich für 25 Mark (Truffauts berühmtes Interview mit Hitchcock) bzw. 5 Mark für einen Remittenden (die Dokumentation eines zweitägigen Interviews mit Truffaut) erworben hatte. Filminteressierte finden darin so ziemlich alles Wissenswerte, was die beiden Regisseure über ihre Werke, ihre Visionen und ihre Arbeitsweise zu erzählen hatten, bereichert durch sorgfältig ausgewählte Filmausschnitte (bzw. Bilder aus Filmszenen, mehr ist in einem Buch nun einmal nicht möglich). Interessant, lehrreich, und manchmal einfach amüsant; behaftet mit Irrungen und Wirrungen wie alles Menschliche.

Ja, wenn "Rockbücher" einmal dieses Niveau erreichten, wenn sie Kunst und Können würdigten statt die Künstler als Helden, als "Führer" zu feiern. David Bowie hatte völlig recht zu sagen, Hitler sei der erste Popstar gewesen.

Bei dem ersten Freudenruf hatte ich mein Bedenken verschwiegen, ob es Selma Lagerlöf gelingen werde, den großen Bogen, den zu spannen sie im Begriff stand, auch zu Ende zu führen. Während der letzten hundert Seiten fanden die Zweifel Nahrung: die verschlungene, aber kontinuierlich geführte Handlung nahm anekdotische Züge an, Zeitsprünge mehrten sich und es schien, als sollte aus dem geschickt verwirrten Knoten kein geordnetes Gewebe, sondern eine Anzahl hübsch aufgereihter Fädchen werden. Doch schließlich brachte sie alle Stränge zusammen, schloß mit dem alten Familienfluch ab und schaffte es, ein offenes Ende zu gestalten, das dennoch mit Recht ein Schluß genannt werden kann. Oder will ich es jetzt nur so nennen? Denn soeben lese ich, daß ein vierter Teil der Löwenskölds geplant war ...

Ein gut geschriebenes Buch, eine Tragikomödie voller Lebensklugheit, interessante Charaktere, deren Entwicklung immer folgerichtig ist - und noch habe ich die Schilderungen nicht in ihrer ganzen Tiefe erfasst. Dies ist eines der Bücher, die ich mit Genuß und Gewinn auch ein zweites Mal (und wer weiß, vielleicht noch öfter) lesen werde. Ich empfehle es, weil (wie bereits gesagt) Selma Lagerlöf erstens eine kluge Frau ist, zweitens eine kluge Frau, die gut schreibt, und drittens eine kluge Frau, die gut schreibt und die den Schalk im Nacken hat. Letztere Eigenschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

heißt ein dreiteiliger Roman von Selma Lagerlöf, in dem ich seit einigen Tagen lese und der mir großes Vergnügen bereitet. Der erste Teil ist eine Gespenstergeschichte und das Lesen allein schon wegen des erzählerischen Bubenstücks wert, wie Bauer Bardson und seine Frau - in aller Unschuld! - dem toten General seinen geliebten Siegelring vom Finger stehlen. Der zweite Teil berichtet vom Erwachen einer liebenden Frau, die durch gemeinste Intrigen gehen muß, um zu begreifen, daß ihre Liebe niemals Erwiderung dort finden wird, wo sie es erwartet, und der dritte Teil - steht mir noch bevor, kann aber gar nichts mehr schief gehen, auch der wird mir gefallen.

Rundheraus gesagt: Selma Lagerlöf ist erstens eine kluge Frau, sie ist zweitens eine kluge Frau, die gut schreibt, und sie ist drittens eine kluge Frau, die gut schreibt und den Schalk im Nacken hat. Und darin gleicht sie Daphne du Maurier. Muß man nicht lesen, kann man aber unbesorgt, und wird es ganz sicher mit Genuß tun.

Daß jemand, der zugleich ein ebenso guter Glaser wie Feinmechaniker sein kann, wohl ein Ausnahmetalent sein müsse, wird jedem einleuchten. Erlernen läßt sich vieles, aber nur das Talent kann es zur Meisterschaft bringen. Gern will ich zustimmen, daß die meisten Menschen irgendein Talent haben, sei es ein großes oder kleines, doch wie selten ist eine umfassende Begabung. Auch in der Kunst lassen sich viele Techniken durch Übung erwerben, doch kann nur die Begabung zur Meisterschaft ausgebildet werden. Und wieviele Menschen haben eine künstlerische Begabung, die über Singen, das Spielen eines Instruments, Verseschmieden, Zeichnen und einfache Grafik sowie schauspielerisches Talent hinausgeht?

Die Linke verharrt aber in Ansichten, wie sie Franz Mehring 1910 in Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters formulierte: "Allein, nichts ist törichter als die Einbildung, daß, wenn die herrschenden Klassen fallen, auch die Kunst fallen wird. Sie wird dann freilich fallen, aber nicht als Kunst, sondern als Vorrecht; sie wird eine verkrüppelte Hülle abwerfen, um erst zu werden, was sie ihrem Wesen nach sein soll: ein ursprüngliches Vermögen der Menschheit." Sicher wird das Vorrecht der - nun gut - herrschenden Klassen auf Kunst fallen und Begabte aus allen Schichten werden ihr Talent entfalten können (eine am Ideal und nicht an der Ideologie orientierte Kulturpolitik vorausgesetzt, siehe sozialistischer Realismus, au wei au wei), aber Kunst bleibt immer das Vorrecht der zur Kunst Berufenen; wer Kunst nur will, wird allenfalls Technik können. Es ist nun einmal nicht jeder Mensch ein Künstler, ebensowenig wie Glaser oder Feinmechaniker.

Bezeichnenderweise läßt sich Mehring nur über die deutschen Schriftsteller aus (die er an ihrem Beitrag zum Klassenkampf mißt und nicht an ihrer künstlerischen Leistung) und weiß über Komponisten gar nichts zu sagen. Wie nun, war Bach ein Revolutionär; oder Beethoven; oder Mozart? Die populäre Musik (beginnend bei Blues und Jazz) hat allen Schichten den Zugang zur Kunst ermöglicht (und einige Künstler aus unterschiedlichsten Schichten hervorgebracht), das Zeitalter des Narzißmus aber bringt Superstars en masse hervor, deren künstlerischer Wert gegen Null tendiert. Da bin ich ganz herrschende Klasse und sage: Kunst ist nicht Klassenkampf, sondern steht über allem Tagesgeschehen, auch wenn es dieses aufgreift. Und ich bin noch mehr herrschende Klasse indem ich sage, daß der Pöbel nach Berühmtheit streben mag, der Künstler aber (unabhängig von seiner Herkunft) nach Vollkommenheit: ob ihn die Klassen verstehen oder nicht.

Eben eine schnelle Runde mit dem Rad gedreht, man kommt sich vor wie an wärmeren Märztagen und die Sonne scheint obendrein. Ausgerechnet da geht mir dieses enervierende "Yellow River" durch den Kopf. Weggedrängt. Und wieder yellow ri-ver, yellow ri-ver, und nochmal und nochmal. So geht das nicht weiter, sagte ich mir, ging in mich, fand die Melodie, nach und nach stellte sich die Worte ein und dann sang, summte, brummte, flötete, pfiff und trötete ich I've seen the yellow lights go down the Mississippi und ich war far far away in einem meiner ewigen Popfavoriten. Immer wenn ich dran denke ist mir völlig rätselhaft, weshalb diese Hymne "nur" eine Nummer Zwei wurde. Andere Hits von Slade sind hier längst vergessen, aber diesen Song kennt man einfach.

Bauer sah ein Runkel blüh'n
Rübe auf dem Felde
Und die Runkel blühte schön
Ging heran es nah zu seh'n
rechnet's um zu Gelde

Runkel, Runkelrübe zart
Runkel auf dem Felde

Bauer sag't: ich pflüge dich
Runkel auf dem Felde
Rübe sagt': ich trüge dich
daß du ewig denkst an mich
und nicht kommst zu Gelde

Runkel, Runkelrübe fein
Runkel auf dem Felde

Doch der wilde Bauer pflügt'
Runkel um mit Freuden
Und die Rübe wehrte sich
trog den Bauer, 's half ihr nicht
mußt' sich ihm doch beugen

Runkel, Runkelrübe welk
Runkel auf dem Felde

Hagebutte Klette Aster
Vogelbeere Pilze Moos
Erntedankfest Wärmepflaster
Ja, nun geht die Herbstzeit los

Ahorn Eiche Erle Pappel
unter diesen Pferdeappel
drüber Himmel in Pastell

Buche Birke Linde Weide
Spinngewebe fein wie Seide
perlen morgentaulich hell

Rot und Braun Rotbraun Orange
Gelb Grüngelb Flammrotmelange
Karmesin Siena Umbra
fällt dann Blatt für Blatt hinunter
diesig dunstig milchig mufft
moribund gewürzte Luft

The Specials: War Crimes

lese ich zum zweiten Mal 'Moby Dick' in vollständiger Fassung (als Kind nur eine verstümmelte Version, "bearbeitet für unsere Jugend" hieß es da, wahrscheinlich hieß es aber doch anders) und staune, wie der Roman in der Zwischenzeit dazugewonnen hat bzw. ich als Leser gereift bin.

Es ist kein modernes Buch; Wissen, das für das Verständnis der Geschichte wichtig ist, ebenso wie Wissen, das Herman Melville wichtig mitzuteilen war, wird in eigenen Kapiteln eingeschoben, aber immer zur rechten Zeit, so daß sich das Gesamtbild beim Leser vertieft und entwickelt. Einst erschien mir diese Methode arg hemmend, aber diesmal lese ich es gerne und mit Respekt. Es ist aber auch ein dermaßen erfreuliches Buch! Selbst wo es drohend finster und unheimlich wird.

Das erste Kapitel beginnt mit dem Satz: "Nennt mich meinethalben Ismael." Ismael, Elias, Ahab, Jerobeam, Rahel: der Verweise auf Geschichten aus der Bibel sind mehrere, und sie werden ihre Bedeutung haben, die ich leider nicht entschlüsseln kann, weil ich einfach nicht den Nerv habe, in meiner winzigklein gedruckten Ausgabe nachzuforschen.

Weiter. Das erste Viertel des Romans spielt noch an Land, beschreibt auf der Handlungsebene den Weg Ismaels vom Binnenländer zum Walfänger und den Beginn der Freundschaft mit einem südseeischen Harpunier.

Was noch an Kühle gegen mich in seiner Heidenbrust zurückgeblieben sein mochte, das taute in unserem vergnügten Tabakskollegium geschwind auf, und wir wurden die vertrautesten Freunde. Augenscheinlich war er mir ebenso frei und selbstverständlich zugetan wie ich ihm. Als wir genug geraucht hatten, drückte er seine Stirn gegen die meine, umfaßte mich und sagte, nun seien wir ein Paar [was in der Ausdrucksweise seines Landes besagen wollte, wir seien hinfort Blutsbrüder], er wolle auch gern für mich sterben, wenn es notwendig werden sollte. Bei einem Landsmann wäre es übereilt gewesen, einer so rasch aufflammenden Freundschaft zu trauen; dem einfachen Wilden gegenüber war die althergebrachte Vorsicht nicht am Platze.

Quiquegs, des Harpuniers also, Hausgott Yojo bestimmt Ismael, ein Walfangschiff im Hafen von Nantucket auszuwählen, und Ismael entscheidet sich für die 'Pequod', deren Kapitän Ahab ist, dem auf der letzten Fangreise ein Bein abgerissen - abgebissen! - wurde, und zwar von einem weißen Wal namens 'Moby Dick', wie sich allmählich herausstellt.

Nach 130 Seiten beginnt die Fahrt zur See, Ahab, der zunächst seine Kabine nie verlässt, erscheint immer öfter an Deck, mit seiner grobgedrechselten Beinprothese aus Walbein. Schließlich, noch bevor der erste Wal gesichtet wird, schwört er die Mannschaft darauf ein, den weißen Wal zu jagen. Alle beugen sich seinem Wahnsinn. Nur Starbuck, der erste Steuermann, hegt noch Bedenken. Meine Seele hat ihren Herrn gefunden: ein Rasender hat sie übermannt. Daß Vernunft in einem solchen Kampf die Waffen strecken muß, das tut weh! [...] In mir aber wacht das weiche Gefühl, das Menschliche, und mit ihm wehre ich mich gegen euch, ihr finsteren Geister der Zukunfr! O Kräfte des Segens, haltet ihr mich fest und steht mir bei!

den Film kennt man zumeist, Hitchcock's erste Regiearbeit in Hollywood, nach einem Buch von, äh wem? ach ja, Daphne du Maurier. Anfang des Jahres wollte ich dann 'Rebecca' auch endlich lesen, aber ich fand nicht hinein, zu wenig war ich in Stimmung, zu sehr lasteten Filmbilder auf der Lektüre.

Aber nun, da ich inzwischen zwei andere Bücher von ihr gelesen, sage ich: Die Romane von Daphne du Maurier sind wie gelungene Popsongs; interessant schildernd und vor Lebendigkeit strotzend. 'Die Bucht des Franzosen' (Frenchman's Creek, 1941), eine mitreißende Geschichte über - neinneinnein, das verrate ich nicht, auch ihr müßt die Hürde Klappentext überwinden - und 'Eine standhafte Lady' (Rule Britannia, 1972), eine Satire über die Vereinnahmung des United Kingdom durch die USA und wie Cornwall sie (die Vereinnahmung) unter Anführung der Titel-Lady rückgängig macht; diese beiden Romane sind gute Unterhaltung und tscha, mann auch son büschn Romantik denn. Ich bin gespannt auf mehr, kann mich nun vielleicht 'Rebecca' zuwenden.

Gerade stelle ich mir vor, daß semmel, der immer so bollerig tut, daheim auf einem Ehrenplatz eine Vorzugs-Goldschnitt-Ausgabe in Prachtleder des du Maurierschen Gesamtwerkes stehen hat. Stimmt doch, semmel?

 

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