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Das Unterbewußtsein ist auch bei Übersetzern das übelste Belästigungsorgan. Gestern sah ich mir einen Film an, der das Leben des Jazztrompeters Bix Beiderbecke nachempfindet. Deutscher Titel: "Der Mann ihrer Träume". Im Original: "Young Man with a Horn".

nannte sich eine Bremer Band der späten Achziger oder frühen Neunziger. Den Namen habe ich behalten, obwohl ich nicht eine Note dieser Band je gehört habe, denn einen solch beknackten Namen vergißt man nicht. Und wenn eine Freundin nicht schon schlimmere Eindrücke von mir gehabt hätte, würde sie mit mir "Les immer essen" assoziieren, weil sie mich über Jahre, egal zu welcher Tageszeit sie anrief, beim Essen antraf - oder beim Absondern von Verdauungsprodukten, dann aber eher verpaßte als antraf.

Ja, damals! Heute weißt du gar nicht mehr, ob du überhaupt noch essen magst: Pferdefleischlasagne, gefälschte Bioeier, vergiftetes Tierfutter. Und dann ist es ja auch wie mit dem Doping im Leistungssport: als Doping gilt nur die Einnahme der nicht erlaubten Substanzen. Wer nicht "dopt", kann trotzdem voller Chemie sein. Lustig auch die Überschrift vor einigen Wochen: "Armstrong beichtet Doping-Mißbrauch". Mit Doping kann man also Mißbrauch treiben, das war mir bis dahin noch nicht klar.

Aber was esse ich dennn nun zukünftig, was ist denn noch unbedenklich? Gesundheitspizza, Biofischstäbchen, Premiumdöner? Im Grunde kannst du doch dein Essen vom 3D-Drucker ausgeben lassen, da weißt du wenigstens, was drin ist, und Plastik hat immerhin einen Mindestnährwert. Zusammenfassend sage ich, daß wir zuverlässig betrogen werden, habe aber einen Trost: billig muß nicht teuer sein.

SpOn war es immerhin eine (Agentur-)Meldung wert, daß Tony Sheridan am 16. Februar 2013 gestorben ist; es war ihm aber insofern schnurzpiepe, als der Unfug, Sheridan sei Lehrer und Entdecker der Beatles gewesen, ohne Bedenken übernommen wurde. Aber das ist heute so in den Qualitätsmedien, da hilft kein Lamentieren. Sheridan, und das steht nicht in der Meldung, starb auf den Tag genau fünfzig Jahre, nachdem die Beatles mit ihrer zweiten Single Please Please Me ihren ersten Nummer Eins Hit hatten und fortan die populäre Musik dominierten; musikalisch bis Ende '67, als erfolgreiche Band bis zu ihrer Trennung 1970.

Wenn wir über Hits reden, kann die deutsche Vorausscheidung für den Grand Prix Eurovision de la Chanson (wie er früher hieß) nicht unerwähnt bleiben. Denn der Gewinnertitel Glorious steht im Verdacht, vom Vorjahressieger abgekupfert worden zu sein. Das wundert mich und wundert mich nicht, weshalb, es klingt alles gleichermaßen belanglos und lohnt nicht, darüber zu reden. Im Wettbewerb vertreten war aber auch ein europäischer Hit des Mittelalters, neu arrangiert von der Gruppe Die Priester und mit der Topsopranistin Mojca Erdmann eingespielt; eine Musik von geradezu überirdischer Schönheit, die mich im Tiefsten berührt. Wie reagierten unsere aufgeklärten, so weltoffenen Zeitgenossen? Die Fraktion der iPad- und Smartphone-Junkies twitterte Hohn und Häme.

Nu isser wech, der schöne Doktortitel, wegen systematischer und vorsätzlicher Täuschung, wie es offiziell heißt. Ich sach: Na und. Und ich frach: Wieso merkt denn das niemand vorher, beim Lesen und Beurteilen der Dissertation, hä? Es ist ein lukratives Geschäft für Ghostwriter, dieses Abfassen von Doktorarbeiten, und es wird professionell betrieben, allerdings ohne Garantie auf "Echtheit".

Liest ja doch keiner! Mein früherer Chef, selbst Dr., und ehrlich verdient obendrein, erzählte mir von einer Untersuchung, derzufolge Doktorarbeiten im Durchschnitt von Null Komma Sieben (jawohl, 0,7) Personen gelesen werden. So sieht's aus Leute, und so viel Spaß es auch macht, der eingebildeten Elite auf die Finger zu klopfen - man müßte sämtliche Dissertationen der letzten dreißig Jahre gründlich unter die Lupe nehmen, um den Skandal in vollem Umfang zu erfassen.

Solange das nicht geschieht, tun mir die Ertappten doch ein klein wenig leid; schließlich haben sie nur getan, was viele andere auch getan haben, tuen, und noch tun werden.

Dabei fällt mir ein, daß eine Mitschülerin sich während einer Lateinarbeit (zehnte Klasse) mein Heft griff und daraus abschrieb. Dummerweise auch meine Fehler, wie sich heraustellte. Hat sie es bereut? Nein, sie machte mir Vorwürfe wegen der Fehler, gerade so, als hätte ich sie betrogen. - Hm? Nein, die hieß nicht Schavan.

Wenn es gegen die political correctness geht, bin ich dabei und unterstütze sogar Jan Fleischhauer, der aktuell die Ersetzung rassistischer Begriffe in Kinderbüchern zum Anlass nimmt, von Trottelsprache zu schreiben. Recht hat er! Wir sollten den Kindern beibringen, daß es nicht nur nicht "Negerkönig" heißt (und auch nicht "Südseekönig", weil das sachlich falsch ist und obendrein den dem Gedanken der Demokratie widersprechenden König zu propagieren geeignet ist), sondern "Repräsentant eines in Äquatornähe lebenden afrikanischen Volkes". Eigentlich sollte man auch "Volk" nicht mehr verwenden, weil "das Volk" bereits den Keim des Rassismus in sich trägt, wie es (also das Volk, oder nein, den Rassismus, oder wie jetzt) die entschiedenen Antirassisten verstehen.

Fleischhauer erwähnt am Rande, daß eigentlich "Hexe" ebenfalls irgendwie oder irgendwo diskriminierend sei und fordert damit indirekt die correctness-Anhänger auf, auch vor einem Buchtitel nicht halt zu machen ("Die kleine Hexe"). Das wirft aber zwei Fragen auf - wie ersetzt man correct "Hexe" (und "kleine" ist irgendwie gegen Kinder gerichtet, oder, noch schlimmer, gegen Liliputaner Kleinwüchsige, das dürfte man nun auch nicht einfach stehen lassen), und - was wird aus den Frauen, die in mühevoller Traum- und Reinkarnationsarbeit herausgefunden haben, daß sie in einem früheren Leben eine Hexe gewesen sind, will man denen sagen "Besen, Besen, sei's gewesen"?

"Hexe" ist schon eine ziemliche Kopfnuß. Soll man sagen "wegen ihrer Heilkenntnisse von der Kirche verfolgte Frau"? Der vollständige Titel lautete dann "Die von der Kirche wegen ihrer Heilkräfte verfolgte, noch nicht ausgewachsene Frau". Nein, das kann man dem Verlag nicht zumuten, denn überall im Text müßte dieses Diktum ebenfalls eingesetzt werden, was den Seitenumfang und über diesen den Preis erhöhte, mit der Folge rückläufiger Verkaufszahlen. Zweiter Versuch: "Die kindliche Heilerin". Das klingt schön - äh - positiv. Doch fragt sich dann, weshalb die kindliche Heilerin einen Hexenhut trägt und auf einem Besen reitet, das kanns ja wohl auch nicht sein.

Am Ende bleibt womöglich nur die "große" Lösung, nämlich das Buch komplett umschreiben und mit neuen - correcten - Illustrationen versehen. Diese überarbeitete, correctisierte Fassung handelte dann von einem Kind, das aus einem bösen, uncorrectem Kinderbuch von anno Adolf die Idee bekommen hat, sich zum Karneval als Zauberfrau zu verkleiden und böse Scherze zu treiben, was natürlich mit Heulen und Zähneknirschen, also in bitterer Reue, endet. Titel: "Die kurze Fastnachtsfrau". Obwohl, "Frau" ist ja auch irgendwo und irgendwie ... da schreiben wir die Kinderbücher doch besser gleich in englisch, das muß dann auch nicht sooo korrekt sein, denn bekanntlich haben Deutsche ihre liebe Müh und Not mit der englischen Sprache. Hauptsache, es ist correct.

 

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