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Martin Scorcese's Dokumentarfilm über The Life and Times of Robert Zimmerman a.k.a. Bob Dylan heißt "No Direction Home" und mag vielleicht bedeuten, daß Bobbys Schiff viele Häfen angelaufen hat, aber nirgendwo zuhause war. Diesen Eindruck gewinne ich aus dem Vergleich seiner Gegenwart mit der diverser seiner Zeitgenossen, darunter natürlich Joan Baez und seiner ersten New Yorker Freundin: sie alle haben ihren Frieden mit sich selbst und ihrer Rolle in der Musikgeschichte - lokal bis global - gefunden, nur Dylan sieht aus wie jemand, der keinen Frieden finden kann. Der Eindruck mag täuschen, aber er ist enttäuschend. Es wirkt, als ob er über den vielen Geschichten, die er uns erzählt hat, vergessen hätte, irgend jemandem seine eigene Geschichte zu erzählen; als ob er nur ein Medium und kein selbst sei. In diesem Fall wollte ich nicht mit ihm tauschen.

Dabei bewundere ich seine assoziativen Texte; die Art, wie er sich dem Klang und den Bedeutungen der Worte hingegeben hat; wie er Texte schrieb, weil er in einer Sprache singen wollte, die er nie zuvor gehört hatte. Angeblich war er ein US-Linker, aber das war nur Wunschdenken der US-Linken. Sein Maßstab war nicht das Geschehen des Augenblicks, sondern die Unendlichkeit, wie es sich für Künstler gehört. Die Ungerechtigkeit des Augenblicks inspirierte ihn zu Worten, die in ferner Vergangenheit wurzelten und in ferner Zukunft Gültigkeit behielten.

Sie haben ihn gehaßt, als er "Hey, Mister Tambourine Man" und "It Ain't Me Babe" und "Mr. Jones" sang, aber damit kam er zu sich selbst: denn das Leben findet nicht in der Theorie statt, sondern in Jedermanns Erleben. Der Klassenkampf löst nicht deine persönlichen Probleme, besonders dann nicht, wenn du dich als Frau dem politischen Kampf unterordnen sollst.

Die Puritaner buhten ihn sogar aus, weil er eine vollelektrisierte Band einsetzte, was doch längst Standard in der populären Musik war - 1965 - und allemal bei den Bands, die seine Songs hitparadenträchtig interpretierten (Byrds, Turtles, Manfred Mann etc,). Er war das Original, also mußte er eine Band haben, um noch zu Wort zu kommen. - Die Linken mochten ihn nicht, weil er sich nicht vereinnahmen lassen wollte. Das ist gewiß nicht sein Problem. Was sein Problem war? Ich weiß es nicht. Er mag mit allen Gefährten im Reinen sein. Der Film vermittelt mir den Eindruck, daß sie allemal im Reinen mit ihm sind. Und das ist überaus enttäuschend für einen beispiellosen Dichter.

Heute las ich, daß Peer Steinbrück 1998, damals noch Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, sich erfolglos beworben hatte, neuer Vorstand des dortigen Sparkassenverbandes zu werden (ich hoffe, daß ich die Details korrekt benenne); ein Posten, der damals mit 400.000 DM vergütet wurde. Als er kürzlich äußerte, das Amt des Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland sei unterbezahlt, verwies er bekanntlich u.a. auf Sparkassenvorstände. Das ist schon beinahe zu dumm, um wahr zu sein.

Doch er hat umgeschwenkt, der Peer: nun fordert er einen Mindestlohn, den er innerhalb von, was hatte er noch gesagt?, hundert Tagen ab dem Zeitpunkt seiner Wahl umsetzen will. Ich zähle eins und eins zusammen, und was kommt wohl heraus?! - Nur daß dieser Herr, der nicht glauben mag, daß Schweigen Gold ist und deshalb hochbezahlte Vorträge en masse hält, nicht Kanzler werden kann. Pech für ihn, da wird er sich weiterhin von Rednerpult zu Rednerpult quälen müssen. Armer Peer, willst du mit mir tauschen? Ich übernehme deine Rednervergütungen und du bekommst mein Hartz IV - abgemacht?

Was wird das neue Jahr bringen? Ich will mich mit der Antwort nicht lange aufhalten, denn jeder weiß es oder könnte es zumindest wissen. Also: mehr Friedensmissionen, mehr Kompetenzen für die EU-Kommission, mehr Armut auf hohem Niveau, Lebenshaltungskosten auf noch höherem Niveau und, Sinnbild der neuen Zeit, ein stetig steigender Konsumklimaindex. Kurzum, alles wird umso besser, je schlechter alles wird.

Was aber bleibt? Beispielsweise "Dinner for one", das ich wie immer mit Freude gesehen habe, auch wenn der typisch deutsche Fehler des Originals - "same procedure than every year" - durch moderne Technik hinweggelogen worden ist. Dabei fällt mir ein, was mir neulich auffiel, als ich in einem älteren Filmbuch über Alfred Hitchcock und sein Kino blätterte. Gewiß sind "ingenious" und "integral" im Englischen gängige Worte, doch muß man sie mit "ingeniös" und "integral" übersetzen? Begeisterung poor löste aber diese Stelle aus: "Anna Massey als die armselige Babs Milligan [...]". Nur weil sie im Film ermordet wird, muß man sie doch nicht gleich beschimpfen.

Während draußen junge Stimmen grölen, drängen sich mir die bekannten Worte auf: "Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist." Prost Neujahr!

Mit den Parteien bin ich restlos fertig, obwohl sie alle irgendwann und irgendwo Richtiges sagen, ob NPD, CSU, CDU, FDP, GRÜNE, PIRATEN, SPD, LINKE und alle anderen: letzten Endes sind sie nichts anderes als Instrumente zur Erlangung von Macht, und in ihnen werden sich immer nur Machtmenschen durchsetzen. Die wahre Macht liegt aber heutzutage in den Händen von Industrie und Banken bzw. deren Interessenverbänden und Lobbyisten, und wir sind tagtäglich deren Propagandakampagnen ausgesetzt. Vergangene Woche las ich bei SpOn, daß in den nächsten fünf Jahren "2,2 Millionen" Ausländer einwandern werden, und daß das die Wirtschaft freut. Nu, kein Wunder, wenn da Verzweifelte ihre Heimat verlassen, wo ihnen die materielle Existenz unter den Füßen weggezogen wurde, um in Deutschland für einen (an unseren Maßstäben gemessenenen) Hungerlohn zu arbeiten, dann lassen sich doch noch mehr Arbeitsplätze in den Niedriglohnsektor hinabstufen. Und deshalb kann SpOn mit linker Unterstützung rechnen, wenn den NPD-Abgeordneten mit diversen Zitaten Rassismus unterstellt wird. Aber wer sagt denn, daß dieser "Rassismus" nicht auf eigener und ehrlicher Überzeugung beruht? Damit müßte man sich auseinandersetzen. Die Deklarierung als Propaganda freilich stellt alle Gegner der Niedriglohn-Zuwanderung in die rechte Ecke. Dann bin ich jetzt wohl auch ein Rassist, bloß weil ich gegen den Wirtschaftsfaschismus bin. Wenn die "Demokraten" die Meinungsfreiheit zum Delikt machen, dürfen sie sich über die Folgen nicht beklagen. Die Nichtwähler werden bald in der Mehrheit sein, und die Scheinheiligendemokratie wird bei der ersten Gelegenheit zur offenen Diktatur werden - weil beispielsweise China viel effizienter und deshalb wettbewerbsfähiger ist. Aber - wollen wir in Deutschland chinesische Verhältnisse?

Von den wirklich wichtigen Dingen im Leben habe ich keine Ahnung, das erfahre ich immer wieder durch Begegnungen wie neulich im Supermarkt vor der Kasse. Zwei junge Frauen standen hinter mir, die eine sagte zur andern: "Voll krass! Die Oreo-Kekse sind hier sooo teuer. Die kosten das vierfache wie in Amerika. Da ist sowieso das meiste billiger, zum Beispiel Klamotten. Und Kosmetik." - "Echt der Hammer," bestätigte die andere," in Australien bekommst du Klamotten auch viel billiger als bei uns."

Im Stillen sagte ich mir, man müsse Webseiten für diese jungen Frauen von heute, die mit beiden Beinen so fest im Leben stehen, einrichten; mit Adressen wie 'inamerikagibtsdasvielbilliger.com' und 'enaustralie.aussi'. Ich drehte mich - unauffällig, wie ich hoffte - nach ihnen um. Meiner Meinung nach sahen sie wie Frauen aus, die über die Kontinente jetten und die du jederzeit nach Preisen für Kekse, Klamotten und Kosmetika befragen kannst.

Aber, Hand aufs Herz, Herr Dicki, ist das nicht besser, als wenn die eine der anderen erklärt hätte, es heiße nicht mehr "Mitgliederinnen" sondern "Mitglied_innen"? - Nun, "mit Glied innen" ist echt voll der krasse Hammer, nur, wer garantiert mir, daß nicht beide Gespräche von denselben Leuten geführt werden könnten ...

 

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